Persönlicher Nachruf im Gedenken an Primar Dr. Walter Buchinger

* 22.6.1947, † 16.4.2024


Ich denke, Dir das erste Mal bewusst begegnet zu sein, war 1998 nach der ÖGU, mein Kollege Georg Fronhöfer und ich hatten unseren ersten Vortrag über Bipolare Hüftendoprothesen gehalten, und unser Chef Martin Mähring hat uns zum Tagungsabschluss zum Essen eingeladen, zum „Brandstätter“ etwas außerhalb. Kurz vorm Verlassen unseres, zwar immer noch uncharmanten, aber traditionellen Tagungshotels in Salzburg bist Du uns begegnet, und Martin Mähring hat Dich gleich dazu geladen.

Und da saßen wir nun, der verehrte Chef Prof. Dr. Martin Mähring mit seiner Gattin, der Grande der österreichischen Unfallchirurgie – Du hattest  ja zu dieser Zeit all die Fäden in der Hand, als damals schon legendärer Abteilungsleiter in Horn (1989-2009), als langjähriger Generalsekretär der ÖGU (seit 1988 über 16 Jahre), gefolgt von deren wohlverdienter Präsidentschaft (2003-2004),  als Doyen der unfallchirurgischen Neurotraumatologie in freundschaftlicher Kooperation mit Deinem neurochirurgischen Partner Prof. Dr. Hans Tritthart aus Graz, als Mitglied des Sanitätsrates in NÖ (seit 1996), als Netzwerker für die Unfallchirurgie im allerbesten Sinn des Wortes, etc., etc., und wir zwei Jungassistenten einer mittelgroßen  Abteilung in der Steiermark.

Ein schöner Nachmittag, und keineswegs so, dass sich die Chefs unterhalten haben, die beiden Damen und auch wir, sondern interessant, angeregt, privat und fachlich und auf Augenhöhe … und genau das hat Dich ausgezeichnet, Du warst eine Autorität im besten Sinne des Wortes, ein Chef, der entschieden hat und Linien vorgegeben hat, und gleichzeitig hast Du zugehört und ernst genommen, egal wer und in welcher „Hierarchiestufe“ sich jemand befunden hat! Ich erinnere mich noch an Deine Worte, viele Jahre später: „Ich bin kein angenehmer Chef, brauchst net glauben …“, und doch habe ich nie von Deinen Mitarbeitern, in den vielen Funktionen (zumindest die ich überblickt habe), gehört, Du seist ein unangenehmer Chef gewesen!

Unsere Wege haben sich dann immer wieder und häufiger gekreuzt, beginnend mit der ADNANI, der damaligen Arbeitsgemeinschaft Deutschsprachiger Neuroanästhesisten und Neurointensivmediziner und jetzigen Interdisziplinären Arbeitsgemeinschaft Neuromedizin. Eine internationale wissenschaftliche Arbeitsgemeinschaft, die 1987 auch deswegen gegründet wurde, weil Du, lieber Walter, und Dein damaliges Gegenüber auf einer Tagung, ein hochanerkannter Neurochirurg, in der fachlichen Diskussion quasi erdbebenartig aufeinandergeprallt seid, und ein ebenso bekannter Neuroanästhesist gesagt hat, so kann die interdisziplinäre Diskussion  zum Thema Neurotrauma nicht mehr geführt werden, wir müssen auf Augenhöhe zusammenarbeiten und letztendlich diese Arbeitsgemeinschaft ADNANI  mit Euch und vielen anderen großen Persönlichkeiten gegründet hat.

Auch im Andenken an Dich, versuchen wir als ADNANI gerade die wesentlichen Handelnden gegen den Untergang der Versorgung des SHT in den Fluten des OrthoTraumaTeiches an einen Tisch zu bringen. Wie wichtig und gewichtig wäre hier noch dein starkes Wort!

Am 20.6.1947 in Wien geboren, hast Du hier Deine Kindheit, Deine Schulzeit, Dein Studium und auch den Großteil Deines Berufslebens bis zur Berufung an das Unfallchirurgische Primariat im LKH Horn am 1.1.1989 verbracht.

Dein maschinengeschriebener Lebenslauf aus dem Jahr 1996, den mir Dein – wie es jede und jeder von außen sehen konnte – Lebensmensch, Deine Frau Elisabeth dankenswerterweise zur Verfügung gestellt hat, spiegelt das wider, was du gelebt und vor allem vor-gelebt hast – den großen Stellenwert der Medizin, und besonders der Unfallchirurgie in Deinem Leben.

Du hast dein Medizinstudium 1965 begonnen und warst sehr bald schon Studienassistent und Demonstrator an der Anatomie, hast dort Deine ersten wissenschaftlichen Arbeiten verfasst.

Du wurdest am 11.3.1974 zum Dr. med. univ. promoviert und hast schon am 1.4.1974 an Deiner unfallchirurgische Wiege, dem UKH Meidling zu arbeiten begonnen. Neben Deinem Präsenzdienst als Battalionsarzt am Golan und den – damals noch für lange Zeit  – zu absolvierenden Gegenfächern, zeugen eine große Anzahl an mehrmonatigen Tätigkeiten an auswärtigen Krankenhäusern und in unterschiedlichen Disziplinen von Deinem umfassenden Interesse. Laut Deiner oftmaligen Erzählungen war sicherlich der Aufenthalt an der Neurochirurgischen Universitätsklinik Graz unter Prof. Heppner und mit Deinem langjährigen Freund Hans Tritthart im Jahr 1983 der beruflich prägendste. Er hat dazu beigetragen, dass Du über gut drei Jahrzehnte der führende unfallchirurgische Neurotraumatologe warst, bekannt auch weit über unsere Grenzen hinaus. Und was wir dabei besonders von Dir lernen konnten, Deine Kompetenz hat nicht mit diesem Spezialgebiet geendet, Du warst ein umfassend ausgebildeter Traumatologe mit einer hohen Expertise in fast allen Bereichen der Unfallchirurgie und Orthopädie, Du wurdest gehört, Deine Worte hatten Gewicht und wurden überall respektiert.

Irgendwann hat es dann einen Punkt gegeben, an dem möglicherweise die zunehmenden Dummheiten in der Medizin und die Unzulänglichkeiten des Verwaltungsapparates für Dich unerträglich wurden, und Du – ich darf dich zitieren – „den Huat draufghaut hast“, 2009, Du warst damals 62. Niemand in der Szene wollte es wahrhaben, die österreichische Unfallchirurgie ohne Walter Buchinger … geht und gibt’s nicht! Natürlich warst Du nicht völlig weg, Du hast dankenswerterweise noch viele Tagungen bereichert und Fortbildungen mitgestaltet, und Du warst für viele, auch für mich weiterhin ein freundschaftlicher Ratgeber und Mentor.

Und Du hast dann diese Zeit auch genützt, Euer Haus in Wolfsgraben mit dem wunderbaren Garten und dem großen Teich, die Leidenschaft fürs Tennisspielen, und etwas, was euch beide schon lange Jahre begleitet hat, die große Faszination für die Flora und Fauna unter Wasser, die Euch in die schönsten Unterwassergebiete der Welt geführt hat. Besonders zu erwähnen ist dabei Euer Herzensprojekt, den Schutz einer der – wie du immer gesagt hast völlig zu Unrecht – gefürchtetsten Spezies, der Haie. Bis Du dann eines Tages, nach einem wochenlangen Trip gesagt hast, das wäre Euer letzter gewesen, es würde mittlerweile zu anstrengend mit mehreren hundert Kilo Ausrüstung durch die Welt zu reisen, ihr hättet auch alles schon gesehen … aber es hat dann doch nicht lange gedauert, und Elisabeth und Du ward wieder unter-wegs unter-Wasser.

Es war dann so um 2020, als Du „nachgelassen“ hast und deine Gesundheit zu leiden begann, und Du der liebevollen Unterstützung von Elisabeth mehr und mehr bedurftest. Das letzte Mal, Walter, hast Du dich bei der Jahrestagung Deiner ADNANI 2022 in Wien zur Diskussion erhoben, schon mit geschwächter Stimme, aber klar wie eh und je in Deiner Aussage! Du hast uns noch begleitet bei den Abendveranstaltungen, charmant wie gewohnt, und es Dir tags darauf – trotzdem es für dich schon unglaublich anstrengend war – nicht nehmen lassen den Caffè in eurem Garten persönlich zu servieren … wunderschöne und traurige Erinnerungen an den Menschen Walter Buchinger!

Und dann ist es gekommen, wie es kommen musste, gerade DER Unfallchirurg rutscht aus, stürzt und bricht sich den Schenkelhals, eine Ironie des Schicksals und ein Ereignis, von dem Du dich, trotz aufopfernder Pflege durch Deine Frau Elisabeth, nicht mehr erholen konntest. Du hast uns am 16.4.2024 für immer verlassen.

Lieber Walter, Du warst für viele ein guter Freund und Mentor, ein geradliniger, starker, aber auch bedachter Entscheider, Du warst ein kraftvoller Kämpfer für jede und jeden und für alles, von dem Du überzeugt warst, ein Unterstützer wo Unterstützung gebraucht wurde, Du warst ein wirklich Großer, und als solchen werden wir Dich ehrend in unserem Andenken behalten.

Sicher ist dieser Nachruf unvollständig, möglicherweise für manche zu pathetisch, es ist auch mein Erster, ich hätte nicht gewusst, wie es anders oder besser geht, aber es war mir eine traurige und doch große Ehre meinem Freund und Mentor nach-schreiben zu dürfen!

Mai 2024

Christoph Hartl

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